Bericht Lübecker Nachrichten | Lauenburg vom 09.08.2022, Seite 6
Schottergärten: Ministerin mahnt Begrünung an
Die Städte Lübeck und Kiel setzen gegen Steinwüsten eher auf Überzeugung als auf Zwang
Kiel. In schleswig-holsteinischen Städten werden offenkundig zunehmend sogenannte Schottergärten angelegt. Diese Gärten gelten als ökologisch sehr bedenklich, weil sie sich negativ auf Böden, Wasserhaushalt, Tier- und Pflanzenwelt auswirken. Vor diesem Hintergrund rief Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack Hausbesitzer auf, solche Gärten nicht anzulegen und bestehende wieder zu begrünen. „Natur- und Klimaschutz beginnen im eigenen Garten“, sagte die CDU-Politikerin. „Schottergärten sind deshalb im Regelfall nicht erlaubt, denn sie lassen nicht genug Wasser durch, und es wächst dort zu wenig.“ Besitzer solcher Gärten könnten dazu aufgefordert werden, diese wieder zu begrünen. Wer dazu nicht bereit ist, könne im schlimmsten Fall sogar mit einem Zwangsgeld belangt werden. „Ich verstehe das sowieso nicht: Wer kauft sich ein Häuschen mit Garten, um daraus dann eine Steinwüste zu machen?“, fragte die Ministerin.
Die Gestaltung von Gärten ist vor allem eine baurechtliche Frage. Die Landesbauordnung schreibt vor, dass nicht überbaute Flächen wasseraufnahmefähig sind. Sofern nicht für eine andere zulässige Verwendung gebraucht, sind die Flächen zu begrünen und zu bepflanzen. Gemeinden können das per Satzung näher regeln. In den auch „Gärten des Grauens“ genannten Schottergärten schließen oftmals unter Kies oder eben Schotter liegende Vliese oder Folien den Boden von Luft und Wasser ab.
Wie gehen die kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein mit der ganzen Sache um? Die Landeshauptstadt Kiel wirbt für sich seit 1995 als Klimaschutzstadt. Sie hat zu Schottergärten keine konkreten Daten vorliegen, geht aber davon aus, dass diese Art der Gartengestaltung zugenommen hat. Das Amt für Bauordnung, Vermessung und Geoinformation ist nach Auskunft der Pressestelle noch nicht gegen Schottergärten vorgegangen. Anreize oder Wettbewerbe, um die Umwandlung von Schottergärten in umweltfreundlichere zu fördern, gibt es bisher nicht.
Das Ausmaß an Schottergärten sei in Lübeck nicht so gravierend, dass es den Stadtraum prägt, aber diese Gärten seien zunehmend wahrnehmbar, sagt Sprecherin Nicole Dorel. Systematische Kontrollen gebe es nicht, doch bei gravierenden Fällen werde das Gespräch mit Eigentümern über Veränderungen gesucht. So habe ein Besitzer seinen Vorgartenbereich dann umgestaltet. Über Anreize oder auch einen Wettbewerb zur Veränderung von Vorgärten wurde schon gesprochen, aber wegen Ressourcenknappheit sei das derzeit nicht umsetzbar.
In Flensburg hielten sich Schottergärten noch in Grenzen, sagte ein Sprecher. Kontrollen gebe es nicht, Hinweisen gehe die Ordnungsbehörde natürlich nach. Zwangsgelder wurden in der Förde-Stadt noch nicht verhängt. In Einzelfällen seien aber teure Rückbaumaßnahmen fällig geworden, sagte der Sprecher. Bei Bebauungsplänen werde darauf geachtet, dass durch Festsetzungen der Versiegelungsgrad von Grundstücken niedrig gehalten wird und dass unbebaute Grundstücksteile bepflanzt werden.
Schottergärten legen in Neumünster laut Pressesprecher Stephan Beitz Ältere ebenso an wie junge Familien in Neubaugebieten. Auch in Industriegebieten und an Unternehmenssitzen gibt es sie. Vorgaben sind klar: „Die Grundstücksfreiflächen zwischen der öffentlichen Straße und der vorderen Gebäudeflucht (Vorgartenfläche) sollen zu mindestens 50 Prozent als offene Vegetationsflächen angelegt und dauerhaft erhalten werden“, sagt eine Richtlinie. Wasserundurchlässige Sperrschichten sind in Vegetationsflächen untersagt. Die Stadt hat zwar noch kein Zwangsgeld verhängt, ließ aber unverhältnismäßig starke Versiegelungen schon rückgängig machen. 2021 nahmen an einem Wettbewerb 19 Vorgärten teil.
Quellenangabe: Lauenburg vom 09.08.2022, Seite 6
Bericht Lübecker Nachrichten | Lübeck vom 24.08.2022, Seite 12
Verwandlung vom Stein- zum Grüngarten
Wegen einer städtischen Auflage musste ein Schottergarten wieder bepflanzt werden – Nun blühen viele Gewächse auf dem Grundstück an der Wallstraße – Frühblüher wurden dort für das Frühjahr ebenfalls gesetzt
Von Johanna Pankow
Lübeck. Schottergärten sind teilweise nicht nur trist anzusehen, sondern auch nicht besonders umweltfreundlich. Doch mancherorts geschieht ein Umdenken, wenn auch durch die Stadt angestoßen. So wie bei dem Vorgarten eines Hauses in der Straße Mühlenbrücke in Lübeck. Wo vorher klobige graue Schottersteine von einem anthrazitfarbenen Zaun umschlossen waren, wachsen seit letztem Frühjahr wieder Blumen, Gräser und Stauden. „Die Verteilung, die Blüten – das ist schon ziemlich einmalig“, sagt Stefan Jolitz, dessen Unternehmen den Vorgarten zusammen mit der Garten- und Landschaftsarchitektin Christiane Haberkorn umgestaltet hat.
Ursprünglich sei der Schottergarten vor dem Haus angelegt worden, da der Vorgarten pflegeleicht sein sollte, erinnert sich Jolitz. Diese Steingärten werden vor allem mit Kies und Steinen in verschiedenen Formen und Größen befüllt. Kreative Gestalter bauen häufig auch Skulpturen, Säulen, Gitterkörbe mit noch mehr Steinen in den Vorgarten. Manchmal ragt sogar eine einzelne Pflanze aus dem grauen Steinmeer hervor. Um einen solchen Steingarten anzulegen, muss in einem ersten Schritt der Mutterboden abgetragen werden. Auf den Untergrund wird ein Vlies gelegt, auf das anschließend die Steine oder Kies gefüllt werden. Diese Zwischenschicht soll verhindern, dass Wildkräuter und andere Gräser durchwachsen können. Der Boden wird von Luft und Wasser abgeschlossen.
Obwohl sie viele ökologische Probleme bringen – warum entscheiden sich Menschen nach wie vor für „Gärten des Grauens“, wie der BUND Schleswig-Holstein sie nennt und gegen eine Bepflanzung? Am Preis könne es nicht liegen, denn ein Schottergarten sei teurer, als ein Grüngarten, sagt Jolitz, der in dritter Generation Garten- und Landschaftsbauer ist. „Es gibt immer Modetrends. Früher waren Steingärten eine Mode. Die Menschen haben sich davon versprochen, dass die Gärten pflegeleicht sind.“ Man müsse nicht wässern, kein Unkraut zupfen. Schick anzusehen seien einige obendrein. Dabei sind die Schottergärten nicht wirklich erlaubt.
Die Hansestadt übermittelte dem Besitzer der Immobilie in der Mühlenbrücke schon kurz nach Fertigstellung des Gartens eine Auflage, die Fläche zurück in einen Pflanzengarten zu bauen. Letztes Jahr im Frühjahr stieg Jolitz mit Haberkorn dann in die Planung ein, skizzierte die Fläche und fasste das Projekt in Geld. Innerhalb einer Woche waren die Arbeiten am Vorgarten abgeschlossen. Die Gartenexperten entschieden sich für eine Pflanzenauswahl, die naturnah ist, „mal so etwas ganz anderes im städtischen Bereich“, sagt Jolitz. Zierapfel, Mädchenauge und Katzenminze – die Liste der Pflanzen, die nun blühen ist lang. „Wir wollten verschiedene Höhen und Blütezeiten erreichen“, sagt Jolitz. Viele Blumenzwiebeln wurden ebenfalls eingepflanzt, die im Frühjahr schöne Blüten hervorbringen.
Noch im Mai diesen Jahres wurde im Bauausschuss beschlossen, dass es keine extra Satzung geben werde, um Schottergärten zu verbieten. Die Begründung: Die Stadt hat nicht ausreichend Beschäftigte, die das überprüfen können. Ein Verbot, das nicht kontrolliert werden könne, würde sich nicht lohnen, hieß es in der Ausschusssitzung. Dabei gibt es in der Landesbauverordnung bereits ein Gesetz, das Schottergärten unterbinden soll. Die Formulierung scheint jedoch genug Spielraum für Kiesfans zu lassen. Unter §8 heißt es: „Die nicht überbauten Flächen der bebauten Grundstücke sind 1. wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen und 2. zu begrünen oder zu bepflanzen.“
Ein Erlass des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung (MILIG) vom 24. November 2020 zeigt, dass Schottergärten diese Anforderungen nicht erfüllen. Sie stellen keine Grünfläche mit überwiegender Vegetation dar und sind häufig wasserundurchlässig gestaltet. Damit seien Schottergärten also „regelmäßig unzulässig“ und würden dem Bepflanzungsgebot widersprechen, heißt es seitens des BUND Schleswig-Holstein.
Quellenangabe: Lübeck vom 24.08.2022, Seite 12